Sie häuften Schulden von 135'000 Franken an und leben seit Jahren von der Fürsorge. Nun winkt eine IV-Rente.
Von Christian Keller, 12.09.2017Die Sozialausgaben stiegen in den letzten fünf Jahren um satte 20 Prozent auf 697 Millionen Franken (Budget 2018) hoch.
Als X.*, dem im Kleinbasel ein Mehrfamilienhaus gehört, im Oktober
2016 eine Vierzimmerwohnung für 1600 Franken im Monat zur Vermietung
ausschrieb, da bewarb sich auf das Immobilieninserat auch die Famillie
Y.* aus Tunesien. An der Feldbergstrasse, wo sie aktuell leben würden,
sei es «nicht gut dort», habe der Ehemann während der Besichtigung der
88 Quadratmeter grossen Unterkunft mit Parkettboden und Balkon erklärt.
«Grössere Wohnung gesucht», gaben die Y.s in den Unterlagen an, die sie
X. überreichten. Daraus ging auch hervor, dass die ausländische Familie
mit zwei Kindern im Alter von zehn und vier Jahren von der Sozialhilfe
abhängig ist.
Den Basler Kaufmann und Liegenschaftsbesitzer traf
der Schlag, wie er sagt, als er die beigefügten
Betreibungsregisterauszüge der Y.s gesichtet habe. Die ausstehendenen
Zahlungen und offenen Verlustscheine füllten mehrere Seiten. Wie aus den
amtlichen Dokumenten hervorgeht, die der BaZ vorliegen, beträgt die von
den Gläubigern eingeforderte Summe insgesamt 135'695.95 Franken.
Im
August dieses Jahres, als der Fall des Bieler Hasspredigers Abu Ramadan
für eine Welle der Empörung sorgte – der Asylsuchende aus Libyen soll
während 13 Jahren rund 600'000 Franken Sozialhilfe bezogen haben –,
mochte X. nicht mehr schweigen. Er wandte sich an die Zeitung. «Dass
Leute Sozialhilfe beziehen, die in der Schweiz eigentlich nichts
verloren haben, ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Als
Wohnungsvermieter erhalte ich immer wieder Anfragen von der Basler
Sozialhilfe, die bei mir Migranten mit hohem Schuldenberg unterbringen
will. Es darf doch nicht sein, dass wir Steuerzahler für Zuwanderer
aufkommen müssen, die sich um ihre Zahlungsverpflichtungen foutieren»,
ärgert sich X. Die Öffentlichkeit müsse über diese Missstände informiert
werden, die von den Politikern und Behörden systematisch unter den
Tisch gekehrt würden.
Die im Kanton Basel-Stadt steigenden
Sozialausgaben würden das Problem eindrücklich belegen. Tatsächlich
schossen die entsprechenden Kosten in den letzten fünf Jahren um satte
20 Prozent auf 697 Millionen Franken (Budget 2018) hoch. Für X. darf
sich diese Entwicklung nicht fortsetzen: «Statt endlich die Steuern zu
senken und den Mittelstand zu entlasten, pumpt die Regierung immer mehr
Geld in den Sozialbereich. Eine schlechte Politik.»
Hohe Steuerausstände
Zurück
zum Ehepaar Y.: Wie den Akten zu entnehmen ist, kam der 44-jährige
Ehemann 1994 in die Schweiz. Inzwischen verfügt er über die
Niederlassungsbewilligung C. Obwohl der Tunesier während einigen Jahren
ein Einkommen von geschätzten 40'000 Franken erzielte, blieb er
regelmässig Steuerbeträge schuldig, die Kanton und Bund einforderten.
Für die Steuerjahre 2005–2009 sowie 2012–2013 werden im
Betreibungsregisterauszug Verlustscheine von total 29'917.25 Franken
aufgeführt. Hinzu kommen happige Forderungen von Krankenkassen, diversen
Inkassofirmen, Telefonanbietern, den SBB oder
Elektronikfachmarkt-Ketten.
Als die BaZ den Ehemann telefonisch
erreicht, gibt er an, seit 2010 Sozialhilfebezüger zu sein. Er sei
damals krank geworden: «Ich habe Angst von Leuten und Polizei. Und von
Hund.» Mehr ist von ihm nicht zu erfahren, denn nun hat die BaZ seine
Schwester am Telefonhörer. «Mein Bruder hat nicht gerne Kontakt mit
Menschen, das hat der Psychiater herausgefunden», sagt sie. Und betont,
was nachweislich falsch ist: «Als er noch bei Coop oder den SBB
gearbeitet hat, zahlte er seine Steuern immer.» Wie sie erzählt, habe
ihr Bruder nach medizinischen Abklärungen einen Antrag auf eine
100-prozentige IV-Rente gestellt. «Der Anwalt hat ihn kürzlich angerufen
und gesagt, es sehe gut aus.»
Die 33-jährige Ehefrau der Y.s kam
2006 in die Schweiz. «Familiennachzug mit Erwerbstätigkeit», liest sich
im Ausweis der Tunesierin. Rasch wuchs auch bei ihr, die keiner Arbeit
nachging, der Stapel unbeglichener Rechnungen. So musste sich
beispielsweise die Frauenärztin, welche sie 2008 im Rahmen der Geburt
ihres ersten Kindes behandelte, Beträge von zusammengezählt mehreren
Tausend Franken ans Bein streichen. Unter dem Strich resultieren
Ausstände von 24'829.85 Franken.
Es ist klar, dass die Y.s mit
solch verheerenden Betreibungsregisterauszügen bei der Suche nach einer
neuen Bleibe so gut wie chancenlos sind. Doch die Tunesier erhalten
Hilfe: Der Basler Verein «IG Wohnen – die Lobby für sozial
Benachteiligte auf dem Wohnungsmarkt» setzt sich für sie ein.
Im
Namen der Y.s schrieb eine Mitarbeiterin von IG Wohnen eine E-Mail an
Wohnungsvermieter X. Das Ehepaar suche «mit ihren beiden Kindern eine
Wohnung in kinderfreundlicher Umgebung. Frau Y. besucht Deutschkurse.
Die Familie wird von der Sozialhilfe unterstützt, die Miete wird direkt
überwiesen», heisst es in der Anfrage. Es folgt der Hinweis, dass bei
einem Vertragsabschluss die IG Wohnen für zwei Jahre der «verbindliche
Ansprechpartner» bleibe und auch eine Wohnbegleitung einrichte, «die der
Familie Y. und der Verwaltung für alle Fragen oder Probleme zur
Verfügung» stehe. «Für die Prüfung der Bewerbung danken wir Ihnen im
Voraus.»
X. lehnte ab. «Ich habe nichts gegen Ausländer oder
Flüchtlinge, aber wer unsere Sozialwerke so ausnützt, kommt mir nicht
ins Haus.»
Für ihre gemeinnützige Tätigkeit wie bei den Y.s erhält
die IG Wohnen vom Kanton Basel-Stadt jährlich Subventionen von bis zu
70'000 Franken. Auf die Frage, ob eine Selektion erfolge und
beispielsweise abgelehnt werde, wer sich mutwillig verschuldet habe,
verneint Präsidentin Pia Diezig: «Die Personen werden uns von der Basler
Sozialhilfe oder unseren Mitgliedervereinen zugewiesen. Sie haben
meistens keine tollen Betreibungsregisterauszüge. Aber wohnen müssen sie
trotzdem irgendwo. Oder sollen wir sie unter einer Brücke leben
lassen?»
Diezig hat Verständnis für die Empörung von X. Als
langjährige Sozialarbeiterin wisse sie, dass die Bevölkerung teilweise
Mühe mit dem Sozialsystem bekunde, weil es als ungerecht wahrgenommen
werde. «Ich zahle meine Steuern pünktlich und ärgere mich auch, wenn ich
sehe, wie andere ihren steuerlichen Pflichten nicht nachkommen», sagt
sie zur BaZ.
Trotzdem dürften solche Überlegungen für die IG
Wohnen keine Rolle spielen: «Unsere Aufgabe ist es, für diese Menschen
eine geeignete Unterkunft zu finden. Dies nicht zu tun, und da bin ich
mir sicher, würde die Gesellschaft letztendlich teurer zu stehen
kommen.»
Doch ist es im Interesse der Schweiz, Fremden Gastrecht
zu gewähren, die einerseits jahrelang fortwährend Schulden anhäufen und
andererseits, ebenfalls während Jahren, am Tropf der Sozialhilfe hängen?
Sinnvoll scheint dies jedenfalls nicht. Das Ausländergesetz lässt den
Entzug der Aufenthaltsbewilligung bei Verschuldung denn auch unter
gewissen Umständen zu.
Doch bis eine solche Verfügung durchgesetzt
werden kann, dauert es oft Jahre. Im Juli 2014 gewann das Basler
Migrationsamt vor Bundesgericht gegen eine serbische Staatsangehörige –
sie hatte Betreibungen und Verlustscheine in Höhe von 172'543 Franken –,
die den Widerruf der Niederlassungsbewilligung zuvor durch alle
Instanzen hindurch angefochten hatte. In vergleichbaren Fällen liessen
die Richter in Lausanne die kantonalen Behörden aber auch schon
abblitzen.
Landesverweis kaum möglich
Ob es bei den
Y.s je eine Intervention oder Verwarnung gegeben hat, ist nicht bekannt.
Aufgrund des Datenschutzes gibt das Migrationsamt zu Einzelfällen keine
Auskunft. Yerguz Toprak, Sprecher des Basler Justiz- und
Sicherheitsdepartements, sagt, jeder Fall müsse individuell betrachtet
werden. «Bei der Frage, wie diese Abwägung im Einzelnen vorzunehmen ist,
richten wir uns nach den zahlreichen Gerichtsentscheiden auf diesem
Gebiet.» Mit ihren beiden Kindern dürften die Tunesier aber ruhig
schlafen können: Ein Landesverweis ist so gut wie ausgeschlossen. Das
Ehepaar Y. lebt indes nicht mehr zusammen. Sie hätten sich getrennt und
würden jetzt, unterstützt von der Sozialhilfe, an verschiedenen Orten
wohnen, sagt die Schwester des Ehemanns. Die Recherche der BaZ stört
sie: «Rufen Sie auch allen Schweizern an, die Geldprobleme haben?»
* richtige Namen der Redaktion bekannt
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